Darum gehört die Bildbearbeitung zum Fotografieren dazu
Wer will es leugnen: Die digitale Fotografie hat die klassische Fotografie revolutioniert – und das ist noch vorsichtig formuliert. Die wichtigsten Errungenschaften sind, erstens, die Tatsache, dass wir das Ergebnis unmittelbar nach der Aufnahme betrachten können. Zu hell? Zu dunkel? Zu irgendwas? Kein Problem, dann machen wir das Foto einfach nochmal. Zumindest in den Fällen, wo dies möglich ist. Außerdem haben sich, zweitens, die Möglichkeiten der nachträglichen Bearbeitung unserer Fotos vertausendfacht. Ich kann mich noch viel zu gut an die Zeiten erinnern, in denen ich mit Diafilmen fotografiert habe. Wenn Du da Murks gemacht hast, war es Murks. Und das hast Du erst drei Tage später gesehen, wenn Du den Film aus der Entwicklung zurückbekommen hast…
Bei diesem Foto war nur wenig Bildbearbeitung nötig – das ist aber nicht immer so.
Verletzt Bildbearbeitung die Fotografenehre?
Bleiben wir bei der Bildbearbeitung, denn um die geht es in diesem Blogbeitrag. Ich sage: Fotografieren besteht heutzutage zu 51% aus Fotografieren und zu 49% aus der Bildbearbeitung! Warum Bildbearbeitung? Weil man es kann! Ich höre schon förmlich den Aufschrei der „echten“ Fotografen. „Das ist doch kein wirkliches Fotografieren mehr, wenn erst hinterher am Computer die eigentlichen Bildergebnisse entstehen!“ Darauf entgegne ich: „Jaein!“ Wer hier mit Fotografenehre, Stolz oder Nimbus kommt, hat vermutlich Recht. Ein bisschen zumindest. Denn: Zählt am Ende nicht das Bildergebnis mehr als der Weg dorthin? In meinem ersten Beruf als Koch, habe ich die Mikrowelle verwünscht wie kein Zweiter. „Das ist doch kein echtes Kochen!“ habe ich im Brustton der Überzeugung gewettert. Ob das auch der Restaurantgast schmecken konnte, auf welchem Wege sein Essen zubereitet wurde?
Es ist so einfach geworden: Mit wenigen Klicks wird aus dem Farb- ein Schwarweiß-Foto. Früher musste man dafür noch einen neuen Film einlegen… Wer wünscht sich da noch die „guten alten Zeiten“ herbei? Ich nicht!
Es gibt natürlich Grenzen. Deshalb würde mir der Begriff Bildoptimierung besser gefallen als Bildbearbeitung. Mein Anspruch in der Fotografie liegt darin, die Wahrheit zu zeigen. Allerdings ein bisschen schöner als in der Realität. Was ich sagen will: Meine Bilder sollen nicht lügen! Gewiss, ich ziehe im Nachgang die Kontraste an, drehe an den Tonwerten, verändere den Bildausschnitt, füge ein wenig Sättigung und Schärfe hinzu (oder entferne sie), entferne Bildrauschen oder spiele mit Vignetten und anderen Stilmitteln herum. Dies ist längst ein Teil des kreativen Prozesses in der Fotografie geworden. Aber ich erstelle keine Composings aus unterschiedlichen Fotos, die ich am Computer zusammenfüge. Ganz konkret: Wer sich in meinem mobilen Fotostudio fotografieren lässt, erhält Studiofotos. Wer sich bei einem Outdoor-Shooting ablichten lässt, erhält Fotos aus der Natur. Nichtmal in einem Moment größter Albernheit käme ich auf die Idee, ein Portraitfoto im Studio zu erstellen, um dann am Rechner die Person in eine Traumlandschaft einzufügen. Ja, ich weiß, oben habe ich gesagt, dass das Ergebnis zählt. Ich habe aber auch gesagt, dass die Fotografie bei mir mit einem Anteil von 51% überwiegt… Für Traumlandschaften (und da gibt es richtig tolle Ergebnisse!) bin ich vermutlich der falsche Fotograf.
In der Baby- und Newborn-Fotografie wird die Bildbearbeitung nicht nur zu einem wichtigen Stilelement. Kleine Hautunreinheiten – die bei Neugeborenen völlig normal sind – können ganz hervorragend korrigiert werden, während die natürliche Hautstruktur erhalten bleibt.
Ich beschreibe heute meine Art des Fotografierens am liebsten so: Die Bildidee entsteht in meinem Kopf, das Foto in der Kamera und der Look am Rechner. Das eine geht ohne das andere nicht. Der Computer ist neben der Fotoausrüstung längst zu meinem Partner geworden. Viele Fotos sind fotografisch gar nicht möglich, erst die Bildoptimierung kitzelt den letzten Schliff heraus. Auf diese Perfektionierung zu verzichten, wäre… Tja, wie drücke ich das aus? Am besten wie es ist: doof!
Zweimal das gleiche Foto: LINKS, wie es aus der Kamera kommt und RECHTS in mittels Bildbearbeitung erschaffenem Look.
Bildbearbeitung braucht Zeit!
Der einzige Pferdefuß an der Sache: Bildoptimierung kostet Zeit! Aber ich bleibe dabei, darauf zu verzichten, kommt für mich nicht infrage. Je nach Auftrag kommen pro Stunde Fotografierzeit ein bis eineinhalb Stunden für die Bildbearbeitung hinzu! Arbeit, die nicht gesehen wird und wovon viele Kunden natürlich nichts wissen (können). Mit dem Fotoshooting, ist erst der halbe Weg gegangen. Die andere Hälfte findet im stillen Kämmerlein statt…
Bei der Hochzeitsfotografie entstehen extrem viele Fotos in sehr kurzer Zeit. Ich gehe von rund 1,5 Stunden Bildbearbeitung pro Stunde Fotografierzeit aus. Viele, viele Stunden verbringe ich nachträglich mit Adobe Lightroom in (m)einem stillen Kämmerlein. Die Ergebnisse sind es wert!