Bildbearbeitung in Schwarz-Weiß oder Farbe?

Früher war alles besser? Nein, umständlicher – zumindest in der fotografischen Vergangenheit. Die digitale Fotografie hat die Möglichkeiten der kreativen Gestaltungsmöglichkeiten nicht nur vereinfacht, sondern gleich vertausendfacht – ein Traum! 

Nochmal zu „Früher“: Wir sprechen hier nicht über Großvaters Zeiten, eher über unsere eigenen vor rund 15 bis 20 Jahren! Gut, in der digitalen Welt sind das Lichtjahre, in unserem eigenen Erleben war das aber gerade eben. Wer mit Blitzanlagen arbeitete, brauchte einen Belichtungsmesser zum Einstellen der Lichter. Wer bei schwachem Licht fotografierte, hat einen anderen Film eingelegt als derjenige, der die Mittagssonne als Lichtquelle nutzte. Und wenn du ein Schwarz-Weiß-Foto haben wolltest, musste ein Schwarz-Weiß-Film her, kein Farbfilm. UM-STÄND-LICH! 

Das Pietzmoor in Schneverdingen. Eigentlich hatte ich eine Ausarbeitung in Schwarz-Weiß im Hinterkopf, um die „Schwere“ des Moores und seine Düsterheit darzustellen. Beim Bearbeiten der Bilder fiel mir auf: Die Blautöne des nebligen Novembermorgens passen auch ganz gut und machen das Bild richtig schön gruselig-kalt. Gut, dass die moderne Bildbearbeitung diese Möglichkeit(en) der individuellen Ausarbeitung bietet. 

Eine weitere Aufnahme des Pietzmoors, kurz nach Sonnenaufgang. Ursprünglich sollte das Foto durch seine Farben leben, ich mag aber die Schwarz-Weiß-Variante deutlich lieber. Was meinst du?

Was bin ich – Fotograf oder Bildbearbeiter?

Heute kann sich der Fotograf viel mehr auf sein Motiv konzentrieren und mittels Knopfdruck auf sich verändernde Gegebenheiten reagieren. Ein riesiger Gewinn sind die digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten der Fotoergebnisse im Nachgang. Eine kreative Spielwiese! Ich sage: Das Fotografieren macht heutzutage mindestens 51% aus, während die Bildbearbeitung bis zu 49% für das Ergebnis verantwortlich sein kann. Ich selbst komme noch aus der analogen Fotografie, wo du ein schlechtes Foto erhalten hast, wenn du schlecht fotografiert hast. Deshalb lege ich bis heute viel Wert auf den handwerklichen Bereich der Fotografie – also auf die Aufnahme an sich. Ich kenne allerdings Fotografen, die relativ schludrig fotografieren und am Ende (mit viel Zeiteinsatz, das muss man dazu sagen) umwerfende Ergebnisse mittels Photoshop & Co aus dem Ausgangsmaterial zaubern. Richtigerweise müsste man hier zwischen der Bezeichnung Fotograf und Bildbearbeiter unterscheiden…

Diesen Priester einer Orthodoxen Kirche entdeckte ich auf Kreta vor dem Eingang des Gotteshauses. Ich zeigte auf meine Kamera und fragte, ob ich ihn fotografieren dürfe. Er bejahte mit seinen Augen und ruhte dabei in sich selbst. Bei dieser Aufnahme kommt für mich gar nichts anderes infrage als die Bildbearbeitung in Schwarz-Weiß!

Das Ziel: Optimierung, nicht Veränderung!

Ich verstehe mich als Fotograf. Und das zu einem erheblichen Teil. Ich mag nur selten Looks auf Grundlage von Farbverschiebungen und andere extreme Bearbeitungen. Fast immer bin ich bemüht, die ursprünglich vorhandene Lichtsituation eins zu eins abzubilden. Deshalb verwende ich inzwischen auch gerne einen anderen Ausdruck und spreche im Rahmen meiner Fotografie eher von Bild-OPTIMIERUNG, nicht -BEARBEITUNG. Vielleicht ist das Erbsenzählerei. Ich will aber nur bestimmte Wirkungen betonen, nicht in sich verändern und schon gar nicht völlig neu zusammensetzen. Bin halt ein alter Knacker aus der analogen Fotografie. Was damals in der Dunkelkammer durch verschiedene Flüssigkeiten und unterschiedliche Verweildauer des Fotos darin erreicht wurde, regele ich heute unkompliziert am Bildschirm. (In einem früheren Blogbeitrag habe ich mir ganz grundsätzliche Gedanken über die Bildbearbeitung gemacht, die heute noch genauso aktuell sind. Hier geht es direkt dorthin: „Darum gehört die Bildbearbeitung zum Fotografieren dazu.“)

In der Hochzeitsfotografie ist die Bildbearbeitung in Schwarz-Weiß ein großes Thema. Viele Fotos gewinnen an Wirkung, wenn wir die Farbe weglassen und erhalten dadurch eine zeitlose Eleganz. Der hier abgelichtete Eröffnungstanz wird als S/W-Version auch in 30 Jahren noch schön anzusehen sein. Bei der Farbausarbeitung dürfte man später wohl eher sagen: „Echt jetzt? Wir haben bei fliederfarbener Beleuchtung gefeiert..?“

Und auch beim „Getting Ready“, also bei den morgendlichen Vorbereitungen am Tag der Hochzeit, setze ich gerne auf Schwarz-Weiß. Sieht toll aus und reduziert die Aufnahme aufs Wesentliche.

In der Babyfotografie ziehe ich hin und wieder ebenfalls eine Bildbearbeitung in Schwarz-Weiß vor. 

Die ewige Frage: Bildbearbeitung in Schwarz-Weiß oder Farbe?

Was ich aber wirklich genial finde, ist die Möglichkeit, mich nicht vorher festlegen zu müssen, ob ich ein Schwarz-Weiß- oder Farbfoto erstellen möchte. Vor 20 Jahren habe ich den guten Ilford-Film eingelegt (mit 36 Aufnahmen. Aaargh!) wenn ich mich in S/W austoben wollte. Für die Landschaftsbilder musste dann wieder der Fujicolor her. Damals wäre ich im Leben nicht auf die Idee gekommen, den Ilford-Schwarz-Weiß-Film für den Sonnenuntergang in den Alpen zu verwenden. Heute kann ich solche Dinge am Rechner ausprobieren und bin oft überrascht, wie gut Fotos in Schwarz-Weiß wirken können, die ursprünglich von ihren Farben leben sollten.

Ich gestehe: Bei dieser Aufnahme vom Hopfensee vor dem Alpenpanorama kann ich mich kaum entscheiden, welche Version ich besser finde. Schwarz-Weiß oder Farbe? Tagesabhängig – ich mag beides! 

Wenn die Wahl zur Qual wird

Hier ist die moderne Bildbearbeitung wirklich ein Segen. Und es wird noch besser: Selbst die unterschiedlichen Charakteristika früherer S/W-Filme (Körnung, Kontrast etc.) lassen sich am Rechner nachempfinden. Nicht bis zur Perfektion aber mit tollen Ergebnissen. Ich liebe es! 

Aber: Wo Schatten ist, ist auch Licht! Wer wüsste das besser als der Fotograf? Denn: Die Wahl wird rasch zur Qual! Manchmal sitze ich stundenlang (!) in meiner digitalen Dunkelkammer vor einem Bild und schiebe die virtuellen Regler unentschlossen am Bildschirm hin und her. Warum? Darum: Weil ich mich nicht entscheiden kann, wie ich das Foto entwickeln soll. Bin ich endlich zu einer Lösung gekommen und schaue mir das Foto einige Tage später wieder an, mache ich nicht selten alles noch einmal von vorne. Die Wirkung eines Fotos kann – je nach Entwicklung – vollkommen anders ausfallen! Farbe oder Schwarz-Weiß? Das ist eben mehr als eine Frage zur Farbe!

Dieses Foto entstand bei einem TFP-Shooting an den Elbbrücken in Hamburg. Weil mir in der Farbausarbeitung zu viele unterschiedliche Farben auftauchen, entschied ich mich für Schwarz-Weiß. Was als „Fluchtlösung“ gedacht war, gefällt mir ohne Farbe sehr viel besser. Dir auch?

In der künstlerischen Architektur-Fotografie möchte ich nicht auf Schwarz-Weiß verzichten! (Übrigens, hier findest du einen Blogbeitrag mit weiteren Architekturfotos ähnlicher Machart: Freie Arbeit: Architekturfotografie)

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